Im Zeichen der Drei
Donnerstag, 24. August 2006
Schon Simulation, oder noch Realität?
Jedes Mal, wenn ich in einem Beitrag etwas vom "K(r)ampf der Kulturen" lesen muss, fühle ich mich an eine These von Jean Baudrillard erinnert:

Das Verschwinden der Realität, an deren Stelle die Simulation tritt.

Ganz im McLuhan'schen Sinne wird durch die mediale Berichterstattung
ein Bild erschaffen, das sich in den Köpfen der Menschen festsetzt und schließlich eine Eigendynamik entwickelt. Dabei wird schleichend die
Differenz von Wirklichkeit und Abstraktion aufgehoben - das Wahre ist
nicht mehr vom Falschen zu trennen.

Am Ende dieses Prozesses steht eine in die Defensive gedrängte Realität,
die sich entweder dem Entwurf des Bildes anzupassen sucht, oder nicht
mehr als sie selbst erkannt wird. Das Simulakrum beansprucht seine
Geltung, das Hyperreale ohne Ursprung im Realen wird tatsächliche Wirklichkeit.

Um bei diesem Beispiel zu bleiben - die These Huntigtons, gerne verkürzt
auf den Titel, erfährt über die Medien eine derart massenhafte und un-
kritische Verbreitung, dass der "Kampf der Kulturen" in den Köpfen
vieler Menschen an die Stelle eines wenig fundierten Wissens über den
Islam tritt und so eine als real empfundene Bedrohung nach sich zieht
- nur so lassen sich Umfrageergebnisse wie diese deuten:

"2004 haben 46 Prozent der von Allensbach Befragten gesagt, es gebe
einen solchen Kampf, heute sind es 56 Prozent."


Damit haben wir uns dann den "Kampf der Kulturen" selbst geschaffen.

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Self-fulfilling prophecies
sind eine gefaehrliche Sache. Huntington wird uebrigens von manchen vorgeworfen, dass er in der Tradition Spenglers stehe. Der wiederum hat von Popper in "Das Elend des Historizismus" sein Fett abbekommen, Popper fuehrt den modernen Historizismus afaik auf Hegel zurueck.

Streng genommen kann man neben dem rechten Kulturgedoens auch das marxistische Geschichtsbild als Historizsmus verwerfen. Nun, ich fuer meinen Teil bleibe immernoch bei Popper, die Zukunft ist offen, auch wenn self-fulfilling prophecies diese These eines Tages widerlegen koennten :)

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Popper hat sehr viel Gutes gesagt, seine Kritik an Hegel ist durchgehend vernichtend - so ja auch in "Die Offene Gesellschaft
und ihre Feinde" - wirklich eine gute Utopie.

Hingegen scheinen mir nur leider die Gedanken Foucaults, z. B. über die Macht des Diskurses, den Erfahrungsraum durch Ritualisierung von Redesituationen, Beschränkung der Teilnehmer/Meinungen, einzugrenzen - gerade was die momentane Auseinandersetzung mit dem Islam angeht - als (noch?) zu aktuell, um diese Spielart des
"New Historicism" schon endgültig zu verabschieden.

Eine Gesellschaft kritischer Rationalisten bleibt indes wünschenswert,
die Fähigkeit zur "intellectuell self-defense" ist ein unterschätztes Gut, wie Sie es ja auch hier darlegen.

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